Das Leben ist ein Wunschkonzert

 

Heute beschäftige ich mich mit dem zweiten Projekt unter gemeinsamer Leitung von Rolf Drechsler und Peter Maaß. Es ist das Teilprojekt P02 „Versuchsplanung“ und wird bearbeitet von Andreas Mändle, Daniel Otero Baguer, Christina Plump und Saeideh Shirinzadeh. Hier werden die einzelnen Versuchspläne erstellt, die zur Erzeugung neuer Proben dienen. Diese Proben werden  dann zur Durchführung der Experimente in den übrigen Projektbereichen verwendet. Anders als beim TP P01 sind hier neben den Informatikern noch die Mathematiker maßgeblich beteiligt. So läuft das Projekt unter anderem mit dem Team rund um Peter Maaß.

Und auch hier können Sebastian Huhn und Rolf Drechsler mit Hilfe eines anschaulichen Beispiels meiner Unkenntnis ein Ende bereiten! Der erste Schritt zu einem Versuchsplan ist ein sogenanntes Anforderungsprofil, das von einem Materialwissenschaftler spezifiziert wird. Und ein Anforderungsprofil ist im Grunde nichts anderes als eine Wunschliste. Denn auf ihr steht drauf, wie hart ein Werkstoff sein soll, wie er sich unter Krafteinwirkung verhalten soll, wie dehnbar er sein soll und so weiter. Danach werden unter der Berücksichtigung der Mehrziel-Optimierung – also dem Versuch möglichst viele geforderte Eigenschaften zufriedenstellend zu erzielen – virtuelle Deskriptoren erstellt. Dabei handelt es sich um Deskriptoren, die zwar so nie gemessen wurden, aber hätte man sie gemessen, würde das Material genau die gewünschten Eigenschaften erfüllen. Leider unterliegen die Verfahren, die bei der Werkstoffherstellung verwendet werden, einer hohen Prozesstoleranz. Das heißt, manchmal unterscheiden sich die einzelnen Legierungen oder die Umgebung ein wenig, weshalb man einen Werkstoff nicht genau gleich reproduzieren kann. Um dem entgegenzuwirken wird zunächst erstmal ein etwas gröberes „Rezept“ erstellt.

Schematische Darstellung der Abläufe in Teilprojekt P02
Schematische Darstellung der Abläufe in Teilprojekt P02

Dabei kommen heuristische und analytische Verfahren zum Einsatz. Im Klartext heißt das, dass man in einem ersten Schritt nicht den genauen Deskriptor berechnet, sondern mit Hilfe von Heuristiken zunächst einen Bereich absteckt, wo denn der Wert des Deskriptors ca. liegen könnte. Sonst würde das Berechnen womöglich mehrere Wochen dauern. Man kann sich das so vorstellen, wie wenn man seine Schlüssel verloren hat. Niemand würde anfangen die ganze Wohnung systematisch zu durchsuchen, sondern man überlegt zunächst, in welchem Raum habe ich den Schlüssel zuletzt gesehen? Sobald man einen Wertebereich festgesetzt hat, werden die Daten weiter an die Mathematik gegeben, die einen genauen (virtuellen) Deskriptor ermitteln. Auf Basis dieses Deskriptors werden dann Versuchspläne erstellt. Diese Versuchspläne enthalten jedoch nicht nur das eine Rezept, sondern gleich mehrere, die sich leicht unterscheiden, um den Prozesstoleranzen entgegenzuwirken. Das sind quasi  Anleitungen, die beschreiben, wie man einen realen Versuch gestalten sollte, damit der gewünschte Deskriptor dann auch wirklich rauskommt. Diese Pläne werden dann in die Logistik weitergegeben. Darum geht es dann im nächsten Beitrag!

Ach ja, um nochmal zur Wunschliste, also dem Anforderungsprofil zurück zu kommen. Hierfür wurde von Sebastian Huhn und Rolf Drechsler im Rahmen des bereits vorgestellten P01 Projekts eigens eine sogenannte DSL entwickelt. Also eine Domain-Specific-Language. Das ist eine Anfragesprache, mit deren Hilfe die Materialwissenschaftler unter anderem das Anforderungsprofil formulieren können.
Aber damit können die Wissenschaftlicher auch neue Hypothesen testen und prüfen, ob in der Vergangenheit bereits ein Experiment durchgeführt wurde, dessen Ergebnisse die neue Hypothese belegen. Solch‘ eine Hypothese kann beispielsweise sein: „Je mehr Chrom ich meiner Stahlschmelze hinzugebe, desto schlechter lässt sie sich zerspanen“.

Gene Graph
Gene Graph – Jeder Knoten auf der linken Seite repräsentiert (jeweils) ein Experiment, das Makrodesktriptoren (M) bestimmt und jeder Knoten auf der rechten Seite repräsentiert (jeweils) einen Versuch zur Bestimmung einer Werkstoffeigenschaft (WE). Die verbindenden Kanten stellen die erwarteten Korrelationen dar, d.h. wie „stark“ sind die erwarteten Zusammenhänge.

Die DSL musste entwickelt werden, da die Wörter in unserem alltäglichen Sprachgebrauch nicht klar definiert sind. Deutlich wird zum Beispiel an dem Wort „Bank“. Das kann ein Geldinstitut sein, aber auch eine Sitzgelegenheit. Aus diesem Grund hat Sebastian Huhn im Vorfeld Interviews mit allen Teilprojekten durchgeführt. Anschließend wurde unter Beachtung der individuellen Wünsche und Nöte eine Computersprache entwickelt. Nur einer der Gründe, warum der Fachbereich Mathematik/Informatik so wichtig ist für den SFB, auch wenn dieser in erster Linie ein materialwissenschaftliches Projekt ist.

 

 

 

 

Bildquellen

  • Schematische Darstellung der Abläufe in Teilprojekt P02: SFB 1232
  • Gene Graph: SFB 1232 / Sebastian Huhn
  • Die Graduierten im Teilprojekt P02: Lisa Jungmann / AGRA

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