Sind wir hier beim Doktor oder was? Ilya Bobrov, eigentlich doch Werkstofftechniker und Wissenschaftler im Teilprojekt D01, röntgt unsere Proben durch. Auf Brüche werden sie zwar nicht untersucht. Dennoch geht es um Anatomie – die Mikrostruktur wird unter die Lupe genommen. Mal sehen, wie es unseren Proben hier ergeht.
Nachdem uns Ilya Bobrov auf einem der Labortische abgesetzt hat, gibt er einen kurzen Eindruck, welche Prozesse wir nun durchlaufen werden. Zwei Verfahren kommen zum Einsatz, die in ihrer Reihenfolge austauschbar sind. Soll heißen, es ist für seine Forschung unerheblich, mit welchem angefangen wird. Das liegt daran, dass diese Prozesse an uns nichts verändern, sondern der reinen Erfassung von Daten dienen.
Paula, wie heißen die Methoden gleich nochmal? Ach, genau, Mikromagnetismus und XRD, danke. Können wir ja ohnehin auf Alexander Baders Reiseplan nachschauen. Ganz schlau wird man aus den Begriffen aber nicht. Was bedeutet überhaupt die Abkürzung XRD? Ilya Bobrov erklärt uns, dass das für „X-Ray Diffraction“, auf Deutsch: Röntgenbeugung, steht. Wir erleben nun aus erster Hand, was dabei genau passiert. Den grünen Block, in dem wir eingebettet wurden, spannt Ilya in eine Maschine ein. Er sagt, dass diese Maschine sich auf den X- und Y-Achsen bewegen kann. Dadurch können auch wir beliebig gedreht und neu positioniert werden. Wozu das wichtig ist, erfahren wir gleich.
Vor uns hängt ein langer metallischer Stab, etwas zu meiner Rechten. Daneben ein Kasten, der wie ein kleine Messstation aussieht. Das sei auch die Funktion dieser Box, bestätigt Ilya Bobrov. Noch weiter rechts von uns ist eine kleine Kamera angebracht. Der große Kasten, in dem die Maschine und wir uns befinden, wird geschlossen. Das Licht im Kasten geht aus. Der Wissenschaftler gibt Zahlen in den Computer ein und steuert uns in bestimmte Richtungen. Das geht solange, bis er auf dem Bildschirm ein Leuchten erkennt, das die Kamera einfängt. Das Licht gibt Aufschluss darüber, wo sich eine Mikroprobe im Dunkeln befindet.
Er macht die Tür auf, werkelt an der Maschine herum und schließt den Kasten wieder. Das geht einige Male so. Dabei repositioniert er die den grünen Block bzw. uns, bis er die Probe, die er untersuchen will, auf dem Bildschirm sieht.
Plötzlich ist es wieder stockduster und Paula sieht sich direkt dem Stab gegenüber. Aus zentraler Position wird sie angestrahlt. Außen am Kasten leuchtet ein rotes Licht. Ist das ein Alarm? Paula, was passiert da genau mit dir, alles gut?
Ja, das ist doch ungefährlich, Paul – hier geht es doch nur um eine Messung. Ich reflektiere gerade den Röntgenstrahl. Aber nur ganz leicht. Spürst du das? Wir bewegen uns wieder minimal. Diesen Bewegungsablauf hat Ilya Bobrov vorher mithilfe seines Computers festgelegt und überprüft.
Durch Bewegung der Maschine auf beiden Achsen werde ich aus verschiedenen Einfallswinkeln bestrahlt. Der Detektor misst dann, wie groß die Reflektion ist, also wie stark meine Oberfläche den Strahl zurückgibt. Jetzt gerade war das schon deutlich mehr. In dem Programm auf dem Computer kann Ilya Bobrov das auch sehen. Überschreitet die Reflektion einen bestimmten Wert, erhält er einen „Peak“, der Graph auf seinem Bildschirm schlägt nach oben aus, so wie man das hier auf der Abbildung sieht.
Er kann also feststellen, dass ich bei einem bestimmten Einfallswinkel einen großen Teil der Strahlung reflektiere. Das hilft ihm dabei, den Abstand zwischen den Atomen zu bestimmen, aus denen ich zusammengesetzt bin. Der Prozess ist echt etwas kompliziert – da spielen auch noch Elektronen und Protonen eine Rolle.
(Wer das jetzt ganz genau wissen möchte, kann sich hier schlau lesen. Ilya Bobrov hat auch selbst über XRD geschrieben, siehe Seite 4.)
Besser im Kopf behalten kann man aber die durch die Messung gewonnene Erkenntnis: Ilya Bobrov kann sich dank der Methode ein genaues Bild meiner durch die Wärmebehandlung veränderten kristallinen Struktur machen. Insgesamt unterscheidet man in der Strukturchemie zwischen nur drei Strukturtypen. Es lässt sich über dieses Verfahren also auf strukturelle Gemeinsamkeiten zwischen Metallen und die Dichte einer Legierung schließen.
Ilya hat die Maschine so eingestellt, dass sie jetzt automatisch jede Mikroprobe einzeln abfährt. Du bist gleich dran, Paul! Ich bin gespannt, wie deine Kristallstruktur aussieht!
Das „Röntgen“ aller Mikroproben wird rund 90 Minuten in Anspruch nehmen. „Da kann ich an anderen Proben schon einmal mikromagnetische Messungen vornehmen“, sagt Ilya Bobrov, „oder guten Gewissens in die Mittagspause gehen.“
Darian Harff ist von Januar bis Dezember 2019 studentischer Mitarbeiter in der Öffentlichkeitsarbeit. Er studiert an der Universität „Digital Media and Society“, einen medienwissenschaftlichen Master.
Bildquellen
- Nächster Prozess: XRD Ex.: SFB 1232
- In XRD-Maschine eingespannte Einheit.: SFB 1232 / Darian Harff
- Ein Licht deutet auf die Position der Mikroprobe hin: SFB 1232 / Darian Harff
- Feintuning: Ilya Bobrov muss manuell einstellen: SFB 1232 / Darian Harff
- Leuchtet die Lampe rot, wird gerade gemessen.: SFB 1232 / Darian Harff
- Der Graph schlägt aus: ein eindeutiges Signal: SFB 1232 / Darian Harff
- DSC_0089_2: SFB 1232 / Darian Harff
- Ilya Bobrov und die Maschine: SFB 1232 / Darian Harff